Studie zu Sanktionen im SGB II

Bundestag/Berlin. Eine Zusammenfassung über Studien – mit weiterführenden Links – zu den Folgen von Sanktionen mit dem Titel:

Auswirkungen von Sanktionen im SGB II –
Überblick über qualitative Studien in Deutschland

Markant finde ich das folgende Ergebnis, dass die bisherige Kritik, an der auch in Gelsenkirchen vorherrschenden städtischen Praktik entlang des Empirica-KdU-Konzepts, dass bisher nicht die Zustimmung des Sozialgerichts gefunden hat, skizziert:

„Die Jobcenter, die bei der Lösung der Probleme mithelfen sollten, wurden in der Studie eher als Verursacher dieser Schwierigkeiten betitelt: Sie förderten die Entstehung von Wohnungsnotlagen durch eine repressive Auslegung der „Angemessenheitsgrenzen“ der Miete“. (S. 7)

Mehr noch: Die Studie hält auch die daraus sich ergebenden Folgen einer ausbleibenden Geltendmachung der subjektiven Rechte der Betroffenen wie folgt fest:

„Sie [die Jobcenter] waren laut Studie in vielen Fällen direkt verantwortlich für durch Mietrückstände entstandene Kündigungen, erzwungene Umzüge und Zwangsräumungen. Dadurch erübrigte sich aus der Sicht der Betroffenen die Möglichkeit der Beratung und Unterstützung durch die Jobcenter.“ (S. 8)

Ohne Begleitung durch Mitarbeiter der sozial-beratenden Dienste der freien Träger wie Diakonie, Caritas oder Sozialpfarramt geht dann gar nichts mehr:

„…zu Terminen des Jobcenters bezüglich der Wohnungssituation begleiten. Ohne diese Unterstützung würden es viele Menschen nicht schaffen, ihre Ansprüche geltend zu machen.“

Robert Rosenow wünscht Entfernung der Meldung

Zur Vermeidung von Streit habe ich heute dem Wunsch von Robert Rosenow entsprechend die Meldung von meiner Website über die Tachelesstellungnahme gelöscht.

Hier seine Gegendarstellung, die den Wunsch zur Änderung der Meldung enthält:

„Sehr geehrter Herr Sombetzki,

Sie haben heute auf Ihrer Website eine Meldung gepostet, nach der die Stellungnahme von Tacheles von der Caritas stamme. Ich fordere Sie auf, diese Nachricht umgehend von Ihrem Server zu nehmen. Die Behauptung, die Stellungnahme von Tacheles stamme im Wesentlichen von der Caritas, ist falsch. Meine Mitautorschaft der Stellungnahme von Tacheles erfolgte im Rahmen meines persönlichen und ehrenamtlichen politischen Engagements. Mein Dienstgeber, der Deutsche Caritasverband, hatte davon Kenntnis, hat aber selbstverständlich keinerlei Einfluss auf meine Zuarbeit für Tacheles genommen.

Die Stellungnahme von Tacheles wird ausschließlich von Tacheles e.V. verantwortet. Meine ehrenamtliche rechtswissenschaftliche Zuarbeit ändert daran nichts.

Mit freundlichen Grüßen
Roland Rosenow“

Info auf Facebook meldet: Tacheles e.V. soll Stellungnahme abgeben

Wuppertal/Bochum/Karlsruhe. Eine Meldung eines Bochumers auf Facebook gibt bekannt, dass der Verein Tacheles e.V. vom Bundesverfassungsgericht in Sachen Vorlage des Sozialgerichts Gotha zur Vereinbarkeit von Sanktionen zur Stellungnahme aufgefordert worden sei.

Hilfeverein sollte Fakten aus der Praxis schildern

Angesichts einiger bisheriger rechtlicher Äußerungen von Tacheles, z.B. zum Anspruch auf Empfangsbestätigung, hoffe ich nicht, dass sich Tacheles e.V. bei seiner Stellungnahme allzu juristisch äußern wird. Tacheles sollte sich auf seine praktischen Erfahrungen stützen und klarstellen, was in der Praxis passiert, wenn Sanktionen ihre Wirkungen entfalten.

Als Grund für diese Forderung zur Zurückhaltung nenne ich Sätze wie diesen, wo sich Tacheles e.V. (S. 3) ein wenig disqualifiziert, da die Formulierungen, sagen wir mal, unglücklich gewählt sind, wenn es heißt:

„Das Jobcenter ist in der Pflicht eine Eingangsbestätigung auszugeben. Diese Pflicht lässt sich nicht direkt aus dem Recht herleiten. Sie ergibt sich aber aus den behördlichen Pflichten als solche.“

Pflichtenstellung aus dem So-Sein oder aus dem Nichts?

Mal ganz ehrlich: Woraus lassen sich wohl die behördlichen Pflichten ableiten?

An dieser Stelle wird deutlich, dass Tacheles e.V. in Sachen Juristerei nachjustieren sollte. Oder es besser lassen, und sich auf das Wesentliche, ihr praktisches Kerngeschäft beschränken.

An anderer Stelle (S. 11) wird diese Grundforderung bestätigt, wenn es heißt:

„Rechtlich lässt sich kein unmittelbarer Anspruch auf eine Eingangsbestätigung ableiten.“

Mit dieser Formulierung wird deutlich, dass Tacheles das Wesen des Anspruchs nicht so recht verstanden zu haben scheint. Ein nicht unmittelbarer Anspruch – was soll das sein, frage ich mit Recht. Möglicherweise meint Tacheles, dass es einen Anspruch gibt, der jedoch nicht unmittelbar aus dem Gesetz herauszulesen, sondern nur durch Gesetzesanwendung und Auslegung ermittelt werden muss, um ihn in der Praxis ziel- und zweckgerichtet durchsetzen zu können. Das würde Sinn machte, müsste jedoch anders formuliert werden.

Anspruch direkt aus einem Grundrecht

Als Beispiel nenne ich mal die Anspruchsherleitung aus einem Grundrecht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies dann so formuliert:

„So heißt es in der Pressemitteilung des BVerwG:

„Fehlt es an einer Regelung des zuständigen Gesetzgebers, ist ein Minimalstandard an Auskunftspflichten in der Weise verfassungsunmittelbar garantiert, dass das Grundgesetz einen klagbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer bestimmten Information zuerkennt…“

Demgegenüber ist die Rechtsposition von Tacheles ein Minus:  „fordert Tacheles einen Rechtsanspruch auf Eingangsbestätigung für eingereichte Anträge und Unterlagen im sozialrechtlichen Verfahren zu normieren.“

Ob der Weg, den Tacheles in diesem Sinne sieht, zielführend ist, mag bezweifelt werden. Das faire Verfahren ist sicher ein grundrechtsgleiches Recht. Jedoch erst eine Normierung als Umsetzung dieses Rechts zu fordern, ist eine sehr schwache Position, die hier formuliert wird. Der Anspruch auf ein Existenzminimum aus den Grundrechten, wie vom Bundesverfassungsgericht festgestellt, dürfte wohl das speziellere und stärkere Recht sein; dies benötigt keine nachrangige Forderung einer gesetzlichen Normierung, da aus dem Grundrecht selbst heraus – sui generis – der Anspruch herleitbar ist.

Fazit

Schuster bleibt bei deinen Leisten. Tacheles sollte die praktischen Auswirkungen schildern, und sich mit Ausflügen in die juristischen Gefilde zurückhalten.

Wer nicht handelt, wird behandelt!

Gelsenkirchen/Bochum. Frohe Weihnachtsgrüße habe ich von Rose Richter aus Bochum erhalten. Sie schickt sie mir zusammen mit dem neuen Programm für 2017, sowie einem Gedicht, das ich besonders hervorheben möchte.

Eine Anmerkung muss ich bei dieser Gelegenheit noch loswerden.

Die Arbeitslosengruppe Werkschlag bestand schon über zehn Jahre, als sich im Herbst 2004 die Gelsenkirchener Hartz IV- Selbsthilfegruppe formierte.

Die Bochumer haben es seitdem nicht geschafft eine eigene Website ins Netz zu stellen.

Mit BO-Alternativ, dem Forum Romanum, dem Evgl. Kirchenkreis und meiner Website aus Gelsenkirchen hier, gibt es verschiedene Anlaufpunkte.

Marienthal ist überall! Auch in Bochum und Gelsenkirchen.

In Zeiten wie diesen – wo sich das Internet als neues Medium auch mittlerweile der Bundeskanzlerin erschlossen hat !! – dürfte der Grad der Vernetzungsaktivitäten von Arbeitslosen einen Hinweis auf die Aktivität der Gruppe, bzw. das Abgehängtsein aus der Gesellschaft – widerspiegeln.

Wenn Kirche mit den Menschen Programm macht, bleibt wenig Raum sich darüber hinaus zu engagieren, so wie es in dem von Rose Richter beigelegten Gedicht von Helmut Martens nahegelegt wird. Deswegen empfehle ich es nachdrücklich, um seinen Inhalt ins Leben zu transformieren. Gerade weil die Marienthal-Studien belegen, wie schnell die strukturellen Persönlichkeitsveränderungn vor sich gehen, und die Menschen sich immer mehr zurückziehen.

Zum Weiterlesen:

ABC-Messung von Arbeitslosen im IAG

Gelsenkirchen. Mit einem WAZ-Bericht vom 15.12.2016 wurde seitens Geschäftsführer Dirk Sußmann klargestellt, was Eingeweihte schon länger wissen: Arbeitslose werden seit dem Jahr 2016 intensiv gemessen. Dazu, so Sußmann, habe das IAG ein ABC-Netzwerk eingerichtet, wozu er Personal aus dem Eingliederungstitel für die Eingliederung von Erwerbslosen bezahle.

Mehr im speziell von mir dazu eingerichteten ABC-Blog.

Energiearmut in Gelsenkirchen

Gelsenkirchen/Düsseldorf/Berlin. Seit meiner Tagungsteilnahme in Düsseldorf als Vertreter der Selbsthilfegruppe im Jahr 2012 hat sich einiges verändert. Eine Tagung im November 2015 hat stattgefunden. Eine Einladung habe ich als ehemaliger Teilnehmer der vorausgegangenen Tagung und Initiator des Rundes Tisches Energiearmut Gelsenkirchen nicht erhalten. Dafür war aber Peter Flicke von der ELE in Düsseldorf 2015 auf dem Podium, obwohl er sich bereits vor über einem Jahr von der Arbeit am Runden Tisch in der ELE verabschiedet, und den Staffelstab an seinen Kollegen Heinz Huyeng weitergegeben hatte.

Das Prinzip: Geldschuld oder Insolvenz

§ 1 EnWG: „Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.“

Nun betritt Hr. Flicke in Düsseldorf eine größere Bühne und protzt mit einem Satz aus den Grundlehren des Zivilrechts, der seit der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches das Wirtschaftliche Denken und Handeln von Juristen bestimmt: „Geld hat man als Schuldner immer zu haben.“

Bei Peter Flicke (ELE) geht der Satz, bezogen auf das Schuldenproblem im Energiebereich, so (Folie 15 f):

„Was wir nicht lösen können, ist das Problem, dass Menschen kein Geld haben“, so Flicke. „Das ist kein Energieproblem.“

Keine Auseinandersetzung mit den Zielvorgaben der EU-Richtlinie, die in § 1 Energiewirtschaftsgesetz ihren theoretischen Niederschlag gefunden haben, wonach es bezahlbaren Strom geben muss. Nach deutscher Vorstellung sei der Wirtschaftsminister gefordert, diese Vorgaben umzusetzen. Die Wirtschaftsminister interessierte das bislang nicht. Sie sagen, in Deutschland gibt es eine Grundsicherung. Die deckt alles ab, was in der Daseinsvorsorge nötig ist. Basta!

Nicht bezahlbarer Strompreis und Stromsperren

Und so steigen weiter die Strompreise und mit ihnen die Stromsperren.

„Diese Tendenz wird durch die Datenerhebung der Bundesnetzagentur untermauert. Jene verzeichnete für das Jahr 2013 eine Steigerung der Sperrzahlen in Deutschland von knapp 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und um 13 Prozent gegenüber 2011. Demnach haben sich die Gas- und Stromsperren bundesweit von rund 345.000 im Jahr 2011 auf rund 390.000 im Jahr 2013 erhöht.“ (Seite 32 oben)
Die Energieunternehmen kümmert es nicht, wenn ihre Mahn- und Sperrkosten rechtswidrig zu hoch sind. Sie holen sich – mit Hilfe des Gesetzgebers – auf privilegierte Weise das Geld direkt aus der Tasche des Verbrauchers. Wie praktisch.

Geld hat man zu haben – oder man holt es sich einfach

Sich Geld direkt beim Verbraucher zu holen ist für Energieversorgungsunternehmen kein Problem. Der Staat hilft dabei. Mit einem Gesetz, das den Versorgern direkte Zwangsausübung mittels Stromsperre erlaubt. Das ist ein starkes Druckmittel. Kein Weg über das Amtsgericht. Einfach nur den eigenen Eintreiber rausschicken, Stromsperre androhen und direkt kassieren. Das nennt man, glaube ich, eine komfortable Versorgungssituation für die Unternehmen.
Warum auch nicht? Die Verbraucherzentralen haben dagegen zwar im Jahr 2011 ein umfassendes Urteil erstritten. In der praktischen Umsetzung traut sich aber offenbar kein Vertreter das Thema beim Kaffeetrinken gegenüber den Unternehmen wirklich anzusprechen. Die Verhandlungssituation könnte sich damit vehement verschlechtern. Könnte sein, das dann niemand mehr mit der Verbraucherzentrale reden möchte. Und Wirtschaftsminister Duin wird den Beteiligten gesagt haben, dass sie alle recht lieb miteinander umgehen sollen; so der Gesamteindruck, der sich einem aufdrängt.

Rechnung kontrollieren lassen lohnt sich

Stromkosten von Haushalten in Grundsicherung. Studie vom Oktober 2015

Also kann sich Peter Flicke (ELE) hinsetzen, und den aus der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900 abgeleiteten Satz in die Welt hinaustönen, ohne grossen Protest zu ernten. Apropos, wenn man die rechtswidrigen Zuvielbeträge aus den Mahn- und Sperrkosten auf die jährlichen Mahnungen und Sperren umrechnet, landet man im Millionenbereich. Da befinden sich die Beteiligten schon in einer sensiblen Gesprächssituation; vor allem, wenn man bedenkt, dass die Stadt Gelsenkirchen bei der ELE mitkassiert, wenn abgerechnet wird.

So traut sich die Verbraucherzentrale gerade mal den Betroffenen auf ihrer Website folgenden Tipp zu geben:

„Aber Achtung: Neben den Sperrkosten und den Kosten für die Entsperrung machen Energieversorger häufig zusätzliche Kosten mit ihrer Rechnung geltend. Hier gilt die Devise: Nicht alle Kostenpositionen auf der Rechnung sind automatisch auch zulässig.“

Geld der örtlichen Energieversorgungsunternehmen fliesst über Querfinanzierung auch in die Daseinseinsvorsorge?!

Wenn mit dem Geld von der ELE die Daseinsvorsorge ausgebaut wird (Welche eigentlich?), ist es gut investiertes Geld, wird manch einer argumentieren. Leider hat die EU Querfinanzierungen, wie auch unerlaubte Beihilfen, eigentlich verboten. Auf der Ebene der Mitgliedsstaaten stört sich nicht jeder an EU-Recht. Brüssel ist von Berlin oder Düsseldorf aus gesehen ja auch ganz schön weit weg.

Vor- und Rückschau

Wie die verbotene Beihilfe angedacht ist, werden wir demnächst im Ansatz erfahren, wenn das Verfahren gegen kommunale Beihilfen im Bereich des Sports entschieden wird. Eine Einführung in die Problematik gibt es brandaktuell vom WDR in der Sendung „sportinside“ (ab Min. 20:00).

Verbotene Querfinanzierung für preiswerten Strom?!

Eine Klarstellung darüber, wie sich Brüssel eine verbotene Querfinanzierung zur Gewährleistung eines preiswerten Stroms gedacht hat, wird für die meisten Betroffenen jedenfalls zu spät kommen. Viele sind bis dahin pleite, ohne Licht und möglicherweise obdachlos geworden. Generaldirektorin der WHO, Margaret Chan: Regierungen weltweit müssten viel mehr tun, um Menschen zu helfen, die an Suizid denken. „Drei Viertel aller Selbsttötungen wurden in Ländern gezählt, in denen Menschen im Schnitt wenig bis sehr wenig Geld zur Verfügung haben.“ „Eine Auswertung unklarer Todesursachen im Regierungsbezirk Dresden ergab, dass bis zu 25% der Suizide als solche weder erkannt bzw. noch registriert wurden“, so die Kriminalpolizei.

Ein bezahlbarer Strompreis wäre sicher ein Anfang all dem entgegenzuwirken und ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

 

 

GE: Säuglingssterblichkeit, Hartz IV und Migrantinnen

Gelsenkirchen/NRW. Im Gesundheitsausschuss (Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz) wird am 05.11.2015 das Thema Säuglingssterblichkeit behandelt. Frau Liebers und Kämmerin Welge zeichnen ein gar nicht so schlechtes Bild von der Lage in Gelsenkirchen. Im Gegenteil: Nimmt man die Äußerungen auf der letzten Seite zur Situation ab 2010, inklusive des Schlusssatzes, möchte man, oder besser frau, meinen, es wäre alles in Ordnung:

„Betrachtet man die Drei-Jahres-Mittelwerte, so erkennt man, dass diese Werte seit 2010 stabil sind.“  „Das Netzwerk – GEsunder Start ins Leben – bekam im Jahr 2010 den ersten Preis im Landeswettbewerb „Gesundes Land Nordrhein-Westfalen–Innovative Projekte im Gesundheitswesen“ und ist bis heute als beispielhaftes Netzwerk gegen die Säuglingssterblichkeit in NRW anerkannt.“

Nimmt man im Vergleich dazu die Aussagen, Grafiken und Erläuterungen des zuständigen Ministeriums – Einrichtung LZG NRW – hinzu, schaut frau ein wenig überrascht auf die Grafik. Was heißt Grafik? Grafiken!!

Das LZG.NRW ist neue Einrichtung im nachgeordneten Geschäftsbereich des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter NRW

Die Statistikdaten im Bereich Säuglingssterblichkeit bildet das Landeszentrum Gesundheit NRW seit 2002 numerisch und grafisch ab. Klinkt man sich links durch die zehn Spalten, fällt eines auf. Gelsenkirchen bleibt als einzige Stadt immer im roten Bereich.

Die ausgezeichnete Projektarbeit scheint irgendwie in der Praxis des Lebens vor Ort nicht richtig gefruchtet zu haben. Die Frühchen sterben. Die Probleme bleiben. Als Ursache nennt das LZG NRW in seiner Erläuterung:

„Säuglingssterblichkeit gilt als Indikator für die allgemeine Qualität der Lebensverhältnisse, z.B. der sozialen Lage und der medizinischen Betreuung.“

Jetzt fragt sich: Wie geht das zusammen? Zumal die Hauptbetroffenen aus den Bereichen Hartz IV und Migrantinnen kommen sollen.

„Im Rahmen NRW-weiter Analysen wurde deutlich, dass die Säuglingssterblichkeit in Städten, die durch einen hohen Anteil an Hartz IV Empfängerinnen und Empfängern, Migrantinnen und Migranten und durch eine hohe Bevölkerungsdichte geprägt sind, am höchsten ist. Die zentralen Probleme bei der Säuglingssterblichkeit sind also nicht nur medizinischer Art sondern auch sozial bedingt.“

In der gleichen Ausschusssitzung heißt es zur Verschiebung der Einführung der Gesundheitskarte auf nächstes Jahr, dass dies für Schwangere kein Problem darstelle. Sie erhielten ohnehin die gesetzlichen Leistungen:

„Werdende Mütter und Wöchnerinnen erhalten alle Leistungen, die auch gesetzlich Versicherten zustehen. Auch amtlich empfohlene Schutzimpfungen und medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen sind abgedeckt.
Ausgeschlossen sind rein präventive Maßnahmen, wie beispielsweise Vorsorgekuren oder aber auch aufschiebbare Maßnahmen.“

Schaut man sich an dieser Stelle den aktuellen Bericht „Notwendigkeiten und Möglichkeiten Zugang zur medizinischen Versorgung – Gesundheitliche Aufklärung und Prävention von Migrantinnen in der Sexarbeit“ vom aktuellen Herbst-Symposium in Düsseldorf zum Thema „Gesundheitliche Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen. Dialog Versorgungsforschung NRW“ an, fällt auf, dass bei Migrantinnen in der Sexarbeit „ein anderer Umgang mit Schwangerschaft/Schwangerschaftsabbruch“ vorhanden ist, der begleitet ist von einem „kulturell anderen Verständnis von Gesundheit/Krankheit“. Folie 2

Nachfolgend müssen in Gelsenkirchen – ergänzend zu den beschönigenden Berichten der Verwaltung – folgende Fragen gestellt werden:

  • Braucht Gelsenkirchen möglicherweise die Anbindung an die Lola-App um die Sexarbeiterinnen zu erreichen? Könnte diese Anknüpfung helfen, um die Säuglingssterblichkeit in Gelsenkirchen zum ersten Mal seit 2002 aus dem roten Bereich beim durchschnittlichen Mittelwert zu bekommen?
  • Oder was sind sonst die möglichen Ursachen, dass trotz gesetzlicher Vorsorgeleistungen für schwangere Migrantinnen und Hartz IV-Empfängerinnen der Mittelwert der Säuglingssterblichkeit – im Vergleich zu den anderen Städten in NRW mit ähnlich schwacher Finanzlage – nicht unter 6 Promille auf 1.000 Lebendgeborenen sinkt; in den umliegenden Städten, Gemeinden und Kreisen jedoch schon?
  • Oder gibt es in Gelsenkirchen – wie aktuell für Dortmund (Folie 3 f.) dokumentiert – ein „zentrales Problem: fehlender bzw. ungeklärter Krankenversicherungsschutz“??
  • Müsste der gesetzliche Auftrag aus §§ 2, 4, 9 und 11 Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG) und § 19 Infektionsschutzgesetz (IfSG) stärker wahrgenommen werden?
  • Oder spiegelt sich in dem permanent hohen Wert der Säuglingssterberate die mangelnde Ausstattung der Ärzte für obdachslose Frauen wieder?
  • Sind die sechs Hebammen, die die WAZ in ihrem Artikel von Sept. 2015 hierzu nennt, genug?
  • Warum erwähnt die Stadt nicht, dass NRW im Bundesvergleich fast genauso schlecht abschneidet, wie GE in NRW?
  • Sollte nicht zur Verbesserung der Lage eine differenzierte Berichterstattung erfolgen, damit die Arbeit des Migrantenhilfsprogramms „MiMi“ besser eingeschätzt werden kann?
  • Ist die Beschreibung aus Dortmund auch auf Gelsenkirchen zutreffend?
    – Maßnahmen reichen für eine angemessene Versorgung nicht aus
    – die Behandlung akuter Erkrankungen rückt in den Vordergrund
    – die aus medizinischer Sicht weitere Diagnostik bzw.Weiterbehandlung bei niedergelassenen Kollegen/innen oder in Kliniken ist nicht möglich (außer in Notfällen)
    – notwendige Heil- und Hilfsmittel können nicht verordnet werden, da kein Kostenträger zu finden ist

Fehlt zum Abschluss nur noch die Feststellung von Frau Reker aus dem Jahr 2010 zur Lage der Unterversorgung in Gelsenkirchen:

Es ist zu konstatieren, „dass die Standards der Aufgabenerfüllung in Gelsenkirchen z.T. weit unter den Vergleichsstädten lagen.“ -“Es ist daher festzustellen, dass das Angebot kommunaler Leistungen für die Bürger gegenüber dem Landesdurchschnitt, aber auch im Vergleich mit Kommunen ähnlicher Finanzsituation deutlich geringer ausfällt.” Quelle: Entwurf des Haushaltssicherungskonzeptes 2010-2013, Drs. 09-14/516, Pkt. 4.1, H. Reker, S. 9/10

Bochum: 84,- Euro Eintritt zur Veranstaltung Solidarität?!

Bochum. Beinahe ein anachronistischer Zug durch Deutschland findet derzeit statt. Mit ihrer neuen Denkschrift möchte die EKD sich bei den Menschen vor Ort zusammen mit dem DGB ins Gespräch bringen.

Der Haken daran: Der Eintritt für die Armen, um die es geht, kostet relativ zu dem Einkommen der Vortragenden mit 5,- Euro, umgerechnet auf deren Einkommen von angenommen 5.000,- Euro, ungefähr 84,- Euro. Würde man für diesen Preis eine Veranstaltung besuchen?

Tatsächlich sind Musikveranstaltungen oder Championsspiele im Fussball durchaus in dieser Preisklasse angesiedelt.

Hat die Veranstaltung einen vergleichsweisen Glamourwert?

Hier die Denkschrift downloaden – pdf

Schauen wir uns an, um was es geht!

„Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat kürzlich eine neue Denkschrift veröffentlicht mit dem Titel „Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“. Unter dem Motto „Arbeiten 4.0″.

„Die Denkschrift analysiert Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt und reflektiert sie sozialethisch. Sieben Jahre nach der Denkschrift „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive“ hebt die neue Denkschrift „die Bedeutung der Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitsgeber-Verbänden und ihr gemeinsames Bemühen um gute Arbeit hervor, gerade angesichts vieler prekärer Arbeitsplatzsituationen.“ Quelle

Nun hat die Diakonie mit ihrem Streit mit ver.di um den Dritten Weg selbst ein Eisen im Feuer. Die Denke der EKD, die mit einer Schrift von Prof. Jähnichen im Jahr 2006 einher ging, wurde in der Praxis anders erlebt. Die Gedanken des Professors zur letzten Denkschrift aus dem Jahr 2008, sind zum Thema Armut seinerseits angreifbar. Zum Beispiel, wenn er auf Seite 3 von der selbstverschuldeten Armut spricht. Die Soziologie und Psychologie reibt sich an dieser Stelle die Augen.

Es ist also kein Glamour zu erwarten, der 84,- Euro oder 5,- Euro Wert wäre.

Bleibt nur zu fragen, wieso die Veranstalter selber glauben, dass ihre Veranstaltung für Arme Menschen lukrativ sein sollte? Vielleicht die Feststellung, die verkündet werden soll, wo es heißt:

„Der Arme bleibt Teil der Gemeinschaft und hat ein Recht auf grundlegende Anerkennung.“
Fragt sich nur, ob diese Äußerung, angesichts der gelebten Praxis von Kirche, nicht mit Nachdruck mehr Leben eingehaucht werden sollte.

Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage angelangt wären. Was ist ein gerechter Lohn? (S. 18) Was ist ein gerechter Preis? Wie handelt man das aus?